Enno Schmidt
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Aus einem Brief von Enno Schmidt an den Veranstalter, Frank Eckhardt,
> freie Vorüberlegungen zu dieser Veranstaltung.


Lieber Frank.
Wie Kunst im Unternehmen wirken könnte, ja, das will man natürlich wissen. Aber ich finde es sehr schwierig, das zu sagen. Die Künstler zeigen auch nicht, wie Kunst in Unternehmen wirkt, sondern was sie dort machen. Du hast Recht, wenn Du sagst, es solle keine künstlerinterne Angelegenheit werden. Es sollen Unternehmer und andere kommen.

Das halte ich jetzt für den wichtigsten Punkt: wie schafft man es, dass tatsächlich viele Leute aus dem Unernehmenszusammenhang kommen, und zwar vor allem die sogenannten Entscheider. Die will ja jeder. Und die wissen, dass jeder sie will. Das Argument: "Wir haben im Moment sowieso kein Geld", das ist ein ganz wichtiger Gedanke, dieses Argument nicht zu reizen. Es muss klar werden mit der Einladung, da man sich hier die Arbeit und die Positionen von Künstlern ganz unverbindlich, ganz neutral anschauen kann, dass man nicht in etwas reingesogen werden soll, das auch die Referate und Gesprächskreise einen echten, freien Austausch meinen, keine Überredung, kein Fangen. Aber wie sagt man das. Denn das kann, wenn man das erklärt, auch wieder sehr langweilig klingen.

Und wenn man sagen will, was Kunst in Unternehmen bewirken kann, muss man aufpassen, dass man nicht die alten Klischees bedient, nach denen Kunst eben nur Profitsteigerung und solche Sachen zu bringen hätte. Kunst bringt ja gerade eine neue Erlebniswelt für Unternehmenserfolge in Feldern, die man vorher noch nicht als Unternehmensfelder sehen konnte, die es aber sind, vor allem in Bezug auf die Zukunft, auf Entwicklung, auf Substanzbildung. Denn womit bilden Unternehmen heute Substanz? Früher waren es die dienenden Seelenkräfte der Menschen und eine einfachere Bedarfsstruktur, auch ein anderer Charakter im Qualitätsverständnis. Aber heute? Um so mehr sich Wirtschaften auf den Eigennutz reduziert, um so substanzloser wird sie. Das heißt auch: um so anfälliger. Kunst stabilisiert, könnte man sagen. Sie stabilisiert längerfristig. Die Früchte ernten erst die nächsten Generationen oder die jetzigen Generationen in einiger Zeit. Kunst schafft Identitäten. Kunst holt die Freiheitskräfte und die individuellen Fähigkeitsströme ins Unternehmensgeschehen. Die sind schon da, aber Kunst lässt sie leben, entdeckt sie, lässt sie Gestaltung werden. Das sind noch reine Kräfte. Die können bei einem Missbrauch von Kunst auch verunreinigt werden. Dann hat man schnelleren Profit davon, hat Ergebnisse, aber sich wieder nur die Tür verstellt. Kunst ist für das Leben und den inneren Lebensstrang der Unternehmen gut. Kunst ist auch ein Vorformer zukünftiger Unternehmensausrichtungen. Kunst ist das Medium, auf dem Zusammenarbeit und Erkenntnis und Kritik aneinander funktioniert.

Aber was auch immer man hier sagt - und das eben von mir Gesagte eignet sich natürlich nicht für eine Einladung - was auch immer man also sagt, es ist irgendwie daneben, weil man nicht in fester Form sagen kann, was die Kunst den Unternehmen bringt. Sie bringt nichts. Das ist es ja. Und nur dann, wenn man das in Ruhe denken kann, bringt sie was. Sie bringt sehr viel. Sie bringt letztlich alles. Aber sie bringt es nicht in der Endform, nicht in der Form an ihrem Ende, sondern in Anfangsformen. Kunst bringt Anfangsformen, die Entwicklungen für Unternehmen enthalten, sowohl auf der menschlichen Ebene wie auch auf der Strategischen und visionären Ebene. Kunst ist außerdem immer global. Sie entsteht lokal. Sie hat lokalen Charakter, aber sie ist im Wesen global.

Also, Du willst am Anfang sagen, was Unternehmen von der Kunst unter Umständen haben. Dann lass uns mal überlegen, was wir denn wirklich glauben, was sie davon haben. Lass uns nicht denken, was die in Unternehmen denken sollen, was sie davon haben könnten, sondern lass uns denken, was wir wirklich meinen. Ich glaube, wenn man das wirklich denkt, merkt man, wie schwer das zu fassen ist, wie schwer man selbst das überhaupt fassen kann. Und wenn man es fasst, ist gerade ganz unsicher, ob es auch tatsächlich so ist. Also will man es versuchen. Man will es herausbekommen.

Wir wissen ja alle, wie es in der Wirtschaft abgeht. Und das hat auch seine Berechtigung. Das geschieht nicht nur aus Blödheit oder Raffgier so, das hat auch tiefere Strukturen, Gründe, ist das, was sich die vorhergehenden gewünscht haben. Wirtschaft ist das, was wir daraus machen. Also ist der Bestand auch Ergebnis von menschlichem Wollen. Jetzt könnte man sagen: Kunst in Unternehmen ist praktisches Denken und Wollen im Unternehmen, ist das Unternehmen im Unternehmen, ist das Zukunftsunternehmen im Unternehmen. Kunst öffnet einen Raum im Unternehmen für seine Zukunftsbestimmung. Dieser Charakter der Zukunftsbestimmung ist bei der Kunst nicht visionär. Das ist er nur bei den Theoretikern. Bei den Künstlern, in der Kunst ist er konkret am Vorhandenen angeknüpft, an jedem Detail, entzündet sich unterschiedslos am Detail oder am großen Plan oder an der Vernetzung oder an Bewegungen.

Kunst öffnet diesen Raum, in dem die Menschen des Unternehmens sich für die Zukunft firmieren. Denn das Vordenken auf die Zukunft entbehrt ja sonst der Zukunft. Das ist ja sonst immer nur Reproduktion. Man reproduziert das Vergangene mit noch mehr Bauernschlauheit. Aber es muss auch etwas tatsächlich Neues dazu kommen. Sonst steht man immer mehr im kurzen Hemd da und hechelt sich am Verlängern des Alten ab. So geht es den Unternehmen heute. Und wenn einer einen glucksenden Furz macht, eine Kreatividee hat, dann stürzt man sich darauf. Am besten ziehen Ideen, die nur einen Zentimeter dem Vorhandenen voraus sind, die am besten auch ganz schnell mit alten Sprachregelungen eingefasst werden können. Und genau das meint man sehr schnell, wenn man es den Unternehmern schmackhaft machen will. Man meint alte Sprachregelungen, einen Kodex, der vermittelt: es passiert schon nichts.

Also ist man da in einer Zwickmühle. Entweder, man sagt es so, das jeder es versteht, weil er nichts Neues denken muss, dann hat es aber nichts mehr mit Kunst zu tun. Oder man versucht, es so zu sagen, wie man selbst es als letztlich noch Unbekanntes versteht, dann kann es mit Kunst zu tun haben. Aber dann zieht es nicht. Man muss das eben wollen, das mit der Kunst im Unternehmen. Es besteht gerade darin, dass es nicht ein Zwang ist. Ja, man kann mal versuchen, da etwas Vernünftiges zu sagen. Ich bin Deiner Meinung, dass etwas mehr gesagt werden muss, was das den Unternehmen bringt.

Herzlich Enno