Konstantin Adamopoulos    
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“Kunsthochschule und Geld - Wanderdüne oder Entwicklungsfrage”

Anlaß: 26.11.2001 in Frankfurt am Main, Gespräch der Künstler Enno Schmidt und Armin Chodzinski mit dem Kurator Konstantin Adamopoulos für die Publikation “Seminar Kunsthochschule und Geld”, das Adamopoulos angeregt und über ein Jahr begleitet hatte. Die beiden Künstler waren schon als Gastvortragende Teilnehmer des Seminarprogramms.

Vorgeschichte: Für ein erstes Gespräch trafen sich die drei als Konstantin Adamopoulos für einen Katalogbeitrag zur Ausstellung art&economy eingeladen wurde, die die Siemens Kulturförderung und die Deichtorhallen Hamburg für März/April 2002 organisieren. Unter dem Thema “Sehnsucht und Qualitätsfrage” befragte Adamopoulos dazu die beiden Künstler, die sich seit Jahren mit Unternehmen und Wirtschaft beschäftigen. Das damalige Gespräch begann mit dem Austausch von Erfahrungen mit Unternehmen und mit dem Statement, dort künstlerisch zu agieren, wo heute maßgeblich gesellschaftliche Gestaltung stattfindet. Umgekehrt wurde auch versucht das Interesse aus der Wirtschaft an Kunst und KünstlerInnen zu differenzieren. Der Begriff “Qualitätsfrage” versammelte Kriterien bzw. Argumente, die die vermeintlichen Grenze ziehen zwischen den Bereichen Kunst und Wirtschaft.

Adamopoulos: Warum kommt ihr beide, die ihr geradezu aus der Kunst herausschleudert, nirgendwo anders an? Das könnte man als Scheitern beurteilen. Ich sehe darin allerdings eine Befreiung von einem Künstlerklischee des Bilder Malens, Objekte Herstellens und des mit klugen Konzepten Glänzens. Ihr hingegen geht an so etwas wie Unternehmen tatsächlich ganz nah heran und nehmt den Gestaltungswillen an einer gesellschaftlichen Notwendigkeit an. Das beinhaltet die Gefahr, den künstlerischen Rückhalt zu verlieren und Idiot zu sein, Idiot im Sinne des griechischen Wortes, eigentümlich, um sich selber kreisend. Die Gefahr besteht, dabei von unternehmerischen Zusammenhängen vereinnahmt zu werden und damit keine Anerkennung in der Kunst zu erreichen. Trotz dieser Gefahren habt Ihr im Feld der Wirtschaft keinen Ort. Was ist eure Motivation? Welche Rolle spielt das Scheitern?

Chodzinski: Das sind zwei Fragen. Warum habe ich in Unternehmen gearbeitet? Als ich mich mit den Produktionsbedingungen von Kunst auseinandersetzte, bin ich über Pierre Bourdieu gestolpert, der mit dem Modell des symbolischen und ökonomischen Kapitals sehr anschaulich macht, dass man als Künstler oder Künstlerin nie außerhalb von Gesellschaft agiert. Man steht vielmehr mitten drin, weil man als KünstlerIn symbolisches Kapital erzeugt. Zwischen dem Manager oder der Managerin, die ökonomisches Kapital erzeugen, und dem Künstler, der Künstlerin oder Kulturschaffenden findet das Gespräch, was das betrifft, auf gleicher Augenhöhe statt. Da ich der Auffassung bin, dass Kunst sich an den gesellschaftlich relevanten Orten aufhalten sollte, war für mich klar, dass mein Arbeitsfeld in unternehmerischen Zusammenhängen liegt. Denn dort liegt heute die Macht der Definitionen, beispielsweise der Definition von Arbeit, von Arbeitnehmern, von lebensnotwendigen Prozessen, die Definition von Geld, von Hierarchien. Kurz gesagt: was Realität sei, wird dort definiert. Deshalb musste ich da hineingehen und sehen, wie es dort zugeht. Die zweite Frage richtete sich auf das Scheitern und darauf, warum man dort, in den Unternehmen, nirgendwo ankommt. Ich denke man kommt nirgendwo an, weil das, was die Unternehmen von sich selbst vorgeben, eine Utopie darstellt und dort gar nicht stattfindet - weil Wirtschaft unter ihren eigenen Vorgaben gar nicht funktioniert. Deshalb befindet man sich dort an einem Nicht-Ort, an dem man wohl mitmachen kann, aber nirgendwo ankommen kann.

Adamopoulos: Ist das nicht eher eine Vorstellung, mit der man als Außenstehender schon angetreten ist? Wird man nicht eher seines eigenen Pathos des Veränderns und Verbesserns überführt?

Chodzinski: Es ging mir nicht um Verbesserungen. Es ging mir darum, zu sehen und zu erleben, was dort ist. Dazu gehört der Blick auf einen offeneren und darin professionelleren Umgang mit ökonomischen Bedingungen, auf die auch der Kunstmarkt rekurriert, sie aber mystifizierend und selbstreferentiell verhandelt.

Adamopoulos: Richtet sich eine Sehnsucht auf diese Professionalität?

Chodzinski: Ja, auf Professionalität und sinnvolles Handeln.

Adamopoulos: Auf Überprüfbarkeit und Rationalisierung?

Chodzinski: Für mich ist Professionalität eine Deckungsgleichheit zwischen den Dingen, die verhandelt werden, und der eigenen Handlungssystematik.

Adamopoulos: In der Utopie ist die Wirtschaft ein Ort, an dem das Individuelle in einem größeren Gesamtzusammenhang wichtig sein könnte. Das wäre ein Grund, als KünstlerIn in wirtschaftlichen Zusammenhängen wirken zu wollen. Aber dann entdeckt man, dass die Abläufe dort viel Willkür enthalten und alles “Höhere” nicht funktioniert.

Schmidt: Es herrscht bei vielen die Vorstellung, wirtschaftliche Gesetze seien objektiver oder zwingender als die der Kunst. Das liegt daran, dass die wirtschaftlichen Produkte angeblich bedarfsorientiert sind, dass die Hauptrolle des Geldes und des eigenen Verdienstes als Realitätsnähe erlebt wird, und dass in der Wirtschaft die gesellschaftliche Zugehörigkeit und eine darin gegebene Relevanz der eigenen Arbeit gesehen wird. Die Gründe, die Armin Chodzinski für sein Hineingehen in die Wirtschaft angegeben hat und die auch für mich gelten, spielen für alle anderen vielleicht genau so eine Rolle. Sie werden nur nicht so reflektiert. Und dann gibt es eben keinen Weg zurück aus der Arbeit in Unternehmen. Man verschwindet darin. Am Verschwundensten ist man, wenn man als großes Arschloch schließlich oben rausguckt. Das Nicht-Ankommen geht im Prinzip allen so. Nur merkt man es als KünstlerIn schneller oder ausgelieferter. Nirgendwo anzukommen ist also zunächst mal sehr real, auch wenn man sich das anders wünscht.

Adamopoulos: Die Erfüllung dieses Wunsches, in unternehmerischen Zusammenhängen als KünstlerIn wirken zu können, wäre also bereits der Verlust der Kunst und der freien Person?

Schmidt: Theoretisch nicht. In der heutigen Praxis aber wohl. Wenn sich ein Künstler oder eine Künstlerin im profitwirtschaftlichen Zusammenhang als effizient erweisen, haben er oder sie in der Kunst verloren.

Chodzinski: Wobei man trennen muss zwischen Kunst und den Produktionsbedingungen von Kunst. Die Form-Inhalt Beziehung, innerhalb derer eine Hervorhebung mittels Material stattfindet, ist doch geradezu das Fundament einer künstlerischen Ausbildung. An einer Kunsthochschule werden Dinge wie Projektmanagement, Schnittstellenkompetenz, Materialökonomie und die Ökonomisierung der Produktionsmittel gelehrt.

Schmidt: Lassen Sie es mich anders formulieren: Braucht die Zeichnung 600 Striche oder reichen nicht auch drei? Wenn sie 600 Striche braucht, dann reichen 599 nicht und 601 wären zuviel. Ökonomie in der Kunst entspricht der Notwendigkeit der Sache.

Adamopoulos: Das bringt jedes Projektmanagement durcheinander, weil es schwerlich planbar ist. Wenn man meint, es mit drei Strichen zu schaffen, braucht man letztlich doch 600 und umgekehrt. Für ein Projektmanagement wäre das sehr ärgerlich, weil jemand für 600 Striche kalkuliert wird, der dann aber nur drei macht und behauptet, mehr dürften es nicht sein.

Schmidt: Oder es wird für drei bezahlt, dann scheinen, in Eigenverantwortung, aber 600 notwendig und man beschwert sich, dass man dabei verhungert.

Adamopoulos: Der Künstler und die Künstlerin beweisen immer, wie uneffizient du bist. Sie machen das auf eine Weise, die einen ärgert.

Schmidt: Wenn man die Wirtschaft zum Beispiel als Kunstwerk betrachtet, dann muss man sagen, sie ist schon deswegen keine Kunst, weil sie so uneffizient ist. Um so härter von ihr auf Effizienz gepocht wird, um so uneffizienter wird sie im sozialen und globalen Maßstab. Die Wirtschaft leidet darunter, dass sie nur die ökonomische Effizienz sieht. Die Sache der Wirtschaft ist aber nicht alleine die Ökonomie. Oder, wenn doch, dann die Gesamtökonomie. Man kommt auch auf streng ökonomischem Wege zur Gemeinnützigkeit. Viele Unternehmen haben heute leider sowieso kein Geld mehr, weil sie, sofern in ihnen noch gearbeitet wird, aus dem herausgedrückt werden, was sich Wirtschaft nennt und Geldwesen heißen müsste. Das Geld spielt eine große Rolle. Es wäre nicht falsch, wenn das Ganze herumgedreht würde und wir das Geld demokratisierten, wenn das Geld nicht als Wirtschaftswert verstanden würde, sondern als Träger von Rechten. Das Geld muss demokratisch dahin gelenkt werden, wo es für das Leben der Gesellschaft und die Entwicklung des Einzelnen am meisten bringt. Dann könnten Unternehmen auch effizienter arbeiten, weil diese Jagd nach dem Profit für sich selbst nicht mehr in dem Maße alles bestimmen würde. Diese Profitjagd mag auf der Konsumseite ihre Berechtigung haben, wo man das Beste für sich will. Wirtschaft allerdings, funktioniert nur, wenn man das Beste für andere will. Sonst hat die Arbeit keinen Sinn und man braucht MotivationstrainerInnen, am Ende KünstlerInnen, die ein Freiheitsmodell symbolisieren, das in den Unternehmen nicht stattfinden kann. Und auf diesem Wege kommt es dann zu einer Vermischung von Wirtschaft und Kunst, die grauenvoll ist, weil weder Kunst noch Wirtschaft sich selbst dabei näher kommen. `Wirtschaft und Kunst´ halte ich deshalb für ein großes Problem. Sie sind in der Lage, sich gegenseitig von der Arbeit abzuhalten. Sie verschönen sich gegenseitig. Sie hätten aber auch die Potenz, sich gegenseitig zu sich selber näher zu bringen. Ich sehe darin eine große Chance für beide. Diese Chance ist etwas Aktionshaftes, aber kein Kulturevent, keine Auftragsabhängigkeit und kein Sponsoring. Am besten wäre es jetzt zu sagen: Was Kunst und Wirtschaft miteinander zu tun haben, wissen wir nicht. Wer meint, das schon zu wissen, sorgt nur dafür, dass immer mehr Leute irgendwo ankommen, wo aber gar nichts ist. Wir wissen nämlich nicht, was Wirtschaft ist und auch nicht, was Kunst ist. Und doch und gerade deswegen müssen Wirtschaft und Kunst in Berührung - nein, in Zusammenarbeit miteinander kommen. Der Punkt einer gemeinsamen Identität wie auch einer völligen Getrenntheit muss gleichzeitig im Bewusstsein gehalten werden.

Chodzinski: Angewandt auf die Kunsthochschule würde das heißen, dass sobald `Kunsthochschule und Geld´ zusammenkommen das ganze System fraglich wird. Die Kunsthochschule sollte kein `Geld´ haben, weil sie sonst weder eine Sonderfunktion, geschweige denn ein Differenzsystem zu bilden in der Lage wäre. Wenn eine Kunsthochschule `Geld´ hätte, würde das Brikett ab dem ersten Semester zu brennen beginnen ...

Adamopoulos: ... und alle kämen als kalte Asche `raus?

Chodzinski: Wie war das denn mit dem Seminar “Kunsthochschule und Geld” mit StudentInnen der HBK Braunschweig? Ging es dabei nicht letztlich doch um so etwas wie ökonomische Effizienz? Mit so einem Seminar klingt doch auch ein Versprechen an, dass über etwas gesprochen und schließlich etwas gelöst wird, was die existentiellen Bedingungen der Studenten betrifft. Was ist das Programm eines solchen Seminars?

Adamopoulos: Die reale Grundlage war zunächst, dass der Initiator und Sponsor einer großen Ausstellung der KunststudentInnen aus seiner Logik heraus - namentlich aus keiner Logik - abgesprungen war. Die StudentInnen waren betroffen und sahen sich einem Phänomen gegenüber, das sie weiter hinterfragen wollten. Meine Idee war es, diese Situation könne die Lichtung sein, auf der Symbolisches und Reales zusammenzubringen sind. Ich wollte nicht über `Kunst und Geld´ sprechen, denn mit dem Begriff `Kunst´ wäre man weiter im Symbolischen geblieben und gleichzeitig in der Annahme, mit diesem Begriffspaar über etwas Reales zu reden. Etwas Reales brachte ich dadurch ins Spiel, dass wir über die Kunsthochschule - den Ort des Nachsitzens, bevor man in die Kunst darf - und über Formen oder die Formbarkeit des Geldes sprachen. Dabei bin ich nicht der Heiland, der die KunststudentInnen gereinigt aus dem Seminar entlässt. Das praktische Geldproblem ist durch mich nicht zu lösen. Mir war es dagegen wichtig, die Konjunktion dieser Frage immer wieder auseinander zu ziehen: Kunsthochschule und Geld? Mir war es wichtig, das Thema zu dehnen und es nicht schon im ersten Schritt zusammenzubringen mit Fragen wie: Wie finanziere ich die Kunsthochschule? Wie finanziere ich mich als KünstlerIn? Ich wollte sehen, was an einer Kunsthochschule eigentlich passiert, warum es sie eigentlich gibt. Was ist die Effizienz einer Kunsthochschule als Unternehmen im Gegensatz zu Wirtschaftsunternehmen? Was ist hier Profit? Was ist hier die Einnahmesituation? Wie kann ich Kunst studieren? Das sind Fragen, die in der künstlichen Trennung, die das Thema erlaubt, zu beleuchten sind.

Chodzinski: Das Interessante ist dabei, das eine Ausgangssituation, in der der Begriff Sponsoring vorkommt, schon die eigentliche Wanderdüne in diesem Verhältnis zwischen KünstlerInnen und einem Unternehmen beschreibt. Denn unter der radikal ökonomischen Sichtweise ist die Idee des Sponsoring haltlos, wenn Sponsoring die Bedeutung vermittelt, es handele sich um eine zweckfreie oder zumindest sozial verantwortliche Handlung eines Unternehmens gegenüber einem non-profitablen Partner. - Sponsoring ist haltlos, wenn so getan wird als sei an alles andere als ein Geschäft gedacht. Die Grundlage eurer Diskussion in der Hochschule ist das Auffliegen einer Konstruktion, die gerade deshalb gebildet wurde, um die Frage nach dem Geschäft nicht stellen zu müssen. Dadurch kommt das Seminar zu einer Frage, die jetzt grundsätzlich in die Richtung geht: Was ist eine Kunsthochschule? Was ist Kunst?

Schmidt: Und die meisten Studenten hören darin sicherlich trotzdem `Geld und ich´ und `Kunsthochschule und Geld´ bedeutet dann Nachsitzen damit ich auch Geld bekomme ...

Adamopoulos: ... und Erfolg! `Ich und Geld´ und `Ich und Erfolg´ sind bei diesem Thema die interessanten Ausgangssituationen, die es in dem Seminar ebenfalls zu dekonstruieren galt durch Gast-Vorträge und nicht zuletzt durch die Präsentation des Seminar auf der Kunstmesse - quasi als Exkursion aus der Schule direkt auf den Marktplatz. Wir haben dort Miete gezahlt, einen Stand entwickelt und die ganze Prozedur praktisch durchlaufen. Durch unser Seminarprogramm auf der Messe mit Gastvorträgen vom Kunsthochschulrektor bis zur Kunstmesseleiterin oder Kulturstiftungsleiterin über den Museumskurator und die Kunstjournalistin, die Kulturwissenschaftlerin aber auch durch den Börsenvorstand, den Sponsoringjuristen, etc. zeigte das Seminar - und hinter ihm die Kunsthochschule - eine interessante Leistung und damit wie effizient und spannend sie sein kann. Das war im Prinzip das Programm. Damit hat es auch Probleme gegeben unter den TeilnehmerInnen, weil das eben nicht nur individuell war, individuelle Kunst, und auch nicht `Kunst als Gegen- oder Verweigerungsmodell´.

Chodzinski: Ich möchte nun auf Unternehmen zu sprechen kommen. Es gibt einen grundlegenden Unterschied zwischen den Unternehmenserfahrungen von Enno Schmidt auf der einen und meinen auf der anderen Seite. Meine Erfahrung war, dass in dem Unternehmen nur symbolisches Kapital verhandelt wird. Zum einen, weil das Unternehmen so zu groß ist, um Effizienz oder Profitorientierung spürbar zu halten. Zum anderen, weil die Organisation vollständig symbolisch gesteuert wurde. Geld stellt dabei nichts anderes als ein strukturgebendes Mittel der Organisation dar. Das funktioniert völlig analog zu einer Kunsthochschulsystematik von Grund- und Fachklassen. Ich habe mir dann die Frage gestellt, worin denn eigentlich der Unterschied besteht zwischen dem Vorstandsvorsitzenden von VW und dem Documenta-Teilnehmer bzw. der Teilnehmerin.

Schmidt: Du würdest also sagen, das Unternehmen ist wie eine Hochschule gegliedert. Umgekehrt würde das heißen, man muss auch Universitäten als Unternehmen begreifen bzw. Unternehmen als Universitäten. Du interpretierst die Rasterung nach Einkommensklassen in den Unternehmen, als eine Verlängerung der Aufteilung nach Grund- und Hauptstudium. Die Unternehmen wären also eine Art verlängerte Schulsituation. - Du meinst, sie seien deswegen keine Wirtschaft?

Chodzinski: Das ist der Eindruck, den ich hatte.

Schmidt: Dann hätten die KünstlerInnen, wenn sie schon mit Wirtschaft zu tun haben, die Aufgabe, zu entdecken, was denn nun Wirtschaft sei.

Chodzinski: Ja genau, und in der Wirtschaft zu schauen, was denn eigentlich Kunst ist - das wäre dann die eigentliche Aufgabe der UnternehmerInnen.

Schmidt: Dann ist es also ein Missverständnis, wenn man auf Seiten der Wirtschaft denkt, die KünstlerInnen wären für das zuständig, was eben Kunst sei. Die KünstlerInnen wären vielmehr dafür zuständig - und das wäre dann die Kunst - zu entdecken, was Wirtschaft ist.

Adamopoulos: Dieses distanzierte Denken würde mehr Individualität in der Ausbildung fordern, weil es bis jetzt in der universitären Struktur zu einer Verbandelung anstelle einer gegenseitigen Erkenntnis kommt. Diese Verbandelung von künstlerischen und wirtschaftlichen Interesse hindert daran, zur eigenen Arbeit zu kommen im Sinne einer höheren, auf die Gesellschaft bezogenen Effektivität.

Chodzinski: Was auch immer diese eigene Aufgabe sein kann. Denn das ist die Frage.

Schmidt: Offensichtlich spielen die Fähigkeiten der KünstlerInnen heute in einer neuen Weise doch wieder eine gesellschaftliche Rolle. Allerdings ist das nicht mehr mit so etwas wie gesellschaftlicher Integration vermengt. Vielleicht sind es viel grundsätzlichere Aufgaben, die die Kunst hat, zum Beispiel die Definition von Wirtschaft oder die Definition von Gesellschaft. Was man heute erlebt, ist doch, dass Kunst und Wirtschaft in einer heillosen Weise miteinander zu tun haben wollen. Der Umgang der KünstlerInnen mit Unternehmen, mit installatorischen Sachen im Stadtraum oder irgendwelchen Projekten, die diese Verbindung suchen und auf der anderen Seite die Wirtschaft, die immer stärker dieses Element aufnehmen will, das ist ja eine Tendenz ...

Adamopoulos: ... der Ästhetisierung der ökonomischen Welt.

Schmidt: Ja, aber auch Tröstung ...

Adamopoulos: ... Freizeit ...

Chodzinski: ... Wohltätigkeit ...

Schmidt: ... Verdrängung, Alibifunktion des individuellen Aspekts. Bisher ist Kunst in der Wirtschaft ein rein pathologischer, psychologischer Faktor. Der Künstler wie die Künstlerin haben aber mit dem Persönlichen nicht viel zu tun, weil sie ja sowieso schon nur Individuum sind und deshalb in ihrer Arbeit nicht danach suchen müssen, sondern eigentlich nach Formen und Stimmigkeiten suchen.

Chodzinski: Was ist die Stimmigkeit? Was ist die Form? Hier muss man einen anderen Begriff von Bild einführen.

Schmidt: Ich glaube, der Künstler und die Künstlerin haben eine große Sehnsucht, als Person gar nicht in Erscheinung zu treten - nicht zu signieren und auch nicht erkennbar zu sein, sondern sie lieben ja das Werk. Das ist natürlich ein Anachronismus, der so nicht funktioniert, denn ohne eine Person zu sein, ist man weder ansprechbar, noch beauftragbar, erkennbar, letztlich auch nicht verantwortlich. Diesem Zwiespalt ist man innerhalb von Unternehmen sofort ausgesetzt, da man dort durchgängig an arbeitsteiligen Prozessen beteiligt ist. Wenn man sich als KünstlerIn profiliert, hat man nichts mehr mit Wirtschaft zu tun, dann ist man KünstlerIn. Wenn man allerdings in den Vorgang des Arbeitsteiligen eingeht, dann ist man nur noch Teil des Vorgangs und hat keine Symbol- oder Zeigefunktion mehr. Das Reale hat also kein Symbol, es braucht aber eines, damit sich überhaupt etwas weiterentwickelt. Das Symbol für sich allein wird nicht real.

Adamopoulos: Darin wäre jetzt für mich zum ersten Mal eine Logik, warum die beiderseitige Anziehungskraft eine gewisse gesellschaftliche Relevanz hat - es geht also um eine Entwicklungsfrage.

Schmidt: Die Frage, die überhaupt heute da ist, ist jene nach einem Begriff von der Kunst - es fehlt an den Begriffen der Kunst genauso wie den Begriffen der Wirtschaft. Im Moment herrschen da noch zwei Bewegungen: Die Wirtschaft umarmt die Kunst und erstickt sie damit - das Bedürfnis, dass es keine Kunst mehr gibt, ist immanent. Damit das endlich stattfindet, müssen die KünstlerInnen in die Unternehmen und das natürlich als KünstlerInnen. Andererseits denken sich die KünstlerInnen, wir gehen jetzt in Unternehmen, damit das mit den Unternehmen so endlich aufhört. Dann sind das zwei Fronten und man müsste es als Krieg verstehen.

Chodzinski: Der Gang der KünstlerInnen in Unternehmen, um alle zum Aufhören zu bewegen, wäre eine Möglichkeit.

Schmidt: Mit dem Ziel, in Unternehmen das Ende der Arbeit zu beschleunigen?

Chodzinski: Genau. Wenn man in ein Unternehmen geht, sollte man dorthin gehen, um andere davon zu überzeugen aufzuhören ...

Schmidt: ... und umgekehrt könnte es ja so sein, dass sich Unternehmer Künstler holen, damit das mit der Kunst endlich einmal aufhört.

Chodzinski: Richtig. Die tödliche Umarmung. Das Problem hiermit: Dabei entstehen Kollateralschäden. Es enstehen Arbeitslose, die unter einer unsinnigen Begrifflichkeit von Arbeit leiden, die als solche konstruiert ist und sowohl den Personen im Vorstand wie auch den KünstlerInnen in ihrer Absurdität bewusst ist.