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Antje Schiffers | ||||
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Ich bin Werkskünstlerin bei der ContiTech. Die ContiTech gehört zum Konzern der Continental AG, von der vor allem bekannt ist, dass sie Reifen herstellen. Die ContiTech stellt andere Dinge aus Gummi her, Keilriemen und Keilrippenriemen und Gummizahnriemen zum Beispiel. Herr Timm sagt „ Dinge die dichten, dämmen, federn, dämpfen, schützen und kapseln“. Herr Timm ist der Chef der Kommunikationsabteilung. Was eine schwierige Sache zu sein scheint, denn was gibt es schon zu sagen über Profile, Luftfedern und die erwähnten Riemen. Dagegen seien Reifen wahrhaft showy, sagt Herr Timm. Ich habe mich bei der ContiTech um eine Anstellung als Werkskünstlerin beworben, so als ob es diesen Beruf gäbe. Mein Angebot war, all die Aufträge zu erfüllen, die die Mitarbeiter der ContiTech für die Aufgaben einer Werkskünstlerin erachten. Ich wollte den verschiedenen Abteilungen als künstlerische Arbeitskraft zur Verfügung stehen. Einmal war ich eingeladen, in einer Hannoveraner Schule von diesem Projekt zu erzählen. Die Jugendlichen haben gesagt, dass sie mich zum Lohn eines ungelernten Arbeiters einstellten, wenn sie die Manager der Conti wären und mich überhaupt einstellten. Den Arbeitsplatz und den Beruf, für den ich mich bewürbe, gäbe es schließlich gar nicht, es könne sich somit auch nicht um einen erlernten Beruf handeln und danach müsse sich die Bezahlung richten. Meine Bewerbung wurde angenommen. Ich sei damit nicht Angestellte der ContiTech, sagt Herr Timm, und das solle ich auch nicht behaupten. Es sei eine sensible Sache mit der Kunst im Betrieb. Was solle die Öffentlichkeit und was sollen die Mitarbeiter davon halten, dass die Conti überall auf die Kosten achte, sich nun aber eine angestellte Werkskünstlerin leiste? Bei meinem Bewerbungsgespräch bereitet mich der Geschäftsfüher fürsorglich darauf vor, dass die Kunst bei vielen Mitarbeitern nicht auf großes Interesse stieße. Sie seien Techniker, Chemiker, Physiker und Kaufleute, sagt Herr Lerch, und sie seien hier um zu arbeiten und nicht, um sich mit Kunst zu beschäftigen. Das solle mich nicht schrecken! Mein erster Auftrag besteht darin, den Messestand der ContiTech auf der Hannover Messe in Öl zu malen. Unser Messestand ist sechs Meter hoch und liegt dem der Zahnradwerk Pritzwalk GmbH gegenüber. Der Stand der Zahnradwerk Pritzwalk GmbH ist hellblau gehalten, unserer orange und der der Fundiciones Aizpurua ohne spezielle Farbe. Ob Messestände langweilig zu malen seien, werde ich gefragt, im Vergleich zur Natur oder zu Tieren gar. Dass sie es mutig fände, sich so einen Beruf wie meinen zu gönnen, sagt eine Mitarbeiterin, welche dafür zuständig ist, Ingenieure anzuwerben. Der Nachbar vom den Fundiciones Aizpurua sagt, die ContiTech müsse wohl eine sehr große und reiche Firma sein, dass sie sich malen lasse! Sie stellen Räder her, diese Spanier. Sie haben ihre bronzenen Räder poliert und wie Schmuckstücke aufgestellt. Wenn sie nichts zu tun haben, streichen sie auf ihrem Stand umher und betrachten den Glanz. Sie laden mich zu Wein und Schinken ein. Die Messestandmalerei kommt gut an, glaube ich. Firmen versuchen mich abzuwerben. Die meisten halten mich für eine spezialisierte Messestandmalerin, die eine Marktlücke entdeckt hat und empfehlen mir, ganz groß ins Geschäft einzusteigen. Als der niedersächsische Ministerpräsident kommt, wird das unfertige Bild auf seiner Staffelei in die Ecke des Separees gestellt, in das man ihn einlädt. Ob es mir nichts ausmache, einen Messestand zu malen, werde ich gefragt. Es tue ihm leid um das Bild, das doch schön sei, aber einen Messestand darstellen müsse, sagt einer. Die ContiTech residiert und produziert unter anderem in Hannover-Vahrenwald. Es ist eine fünfstöckige alte Fabrik, ein großartiges Ungetüm aus einer anderen Zeit. Ich werde beauftragt, Wandbilder für die Kantinen zu malen. Herr Hauser ist der Koch der einen Kantine. Wir einigen uns auf Motive, die vom Essen und der Zubereitung von Essen handeln. Die Kommunikationsabteilung hatte sich gewünscht, dass die Bilder überall im Werk die Produkte der ContiTech darstellen, die Produkte und die Internationalität unseres Unternehmens. Internationales Kochen ist der Kompromiss. Es gibt Kasachinnen nach dem Hammelschlachten, zitronenverkaufende Usbeken, Mexikanerinnen und Sven Hedin, wie er eine Pfeife anzündet auf der Picknickdecke bei einer Expedition duch die Innere Mongolei für das Raucherzimmer. Geraucht wird gern. Besonders alle, die in der Küche arbeiten, verbringen ihre Pause gern mit rauchen. Alkohol dagegen ist streng verboten, und es dürfe auch kein Alkohol auf den Bildern zu sehen sein, sagt Herr Meyer. Herr Meyer leitet die Personalabteilung. Die Aufgabe der Bilder sehe er darin, für einen Moment andere Gedanken in den Alltag zu bringen. Da sei zum Beispiel der Mann mit den Zitronen an der Kantinenwand. Was habe der eigentlich immer zu lachen, sagt Herr Meyer und ich freue mich. Die Kollegen sind sehr nett. Hauptsache, man hat Arbeit, sagt einer und klopft mir auf die Schulter. Das Labor wünscht sich einen Reigen von Prüfinstrumenten. Es sollen gleich viele Prüfinstrumente aus den verschiedenen Laborsektionen sein, wegen der Parität. Im Labor habe ich gelernt, das Rohkautschuk verderblich ist. Darum wird er geräuchert und riecht wie ein Schinken. Das sei zwar eine hübsche Geschichte, sagt Herr Fiß, aber eigentlich sei der Naturkautschuk weniger wichtig geworden. Der künstliche Kautschuk wird aus Erdöl gewonnen, ebenso wie der Ruß, mit dem der Gummi gefärbt wird. Die ganze Fabrik ist voll Ruß. Der Koch der zweiten Kantine wünscht sich eine Landschaft und ein Bild, auf dem der Name der Kantine, Autokantine nämlich, verwendet wird. Ich male lange an dem Gebirge. Zehn Meter ist es breit und ich bin sehr stolz darauf. Als es fertig ist, bekomme ich einen halben gebratenen Hahn zum Mittag, den gibt es nur für besondere und befreundete Kantinengäste. Mit einer Sachbearbeiterin der Werbeabteilung gehe ich durch die Produktion und besuche die Wände, die sich für Wandbilder eignen. Zu ihrer Eignung trägt bei, dass sie auf dem Weg liegen, den die Kunden durchs Werk nehmen. „Was malen wir denn da“, sagt Frau Jäkel. Für eine dieser Produktionswände wünscht sich der Meistervertreter ein Bild, in dem die multikulturelle Zusammenarbeit im Betrieb zum Ausdruck kommen soll. Griechen und Türken würden hier arbeiten, Polen, Deutsche und Russen. Ich nicke tapfer ob des schwierigen Themas und fühle mich wahrhaft wie eine sozialistische Kombinatskünstlerin. In einer der Hallen habe ich ein Musikprogramm gehört, bei dem sich türkische und deutsche Musik abwechselt. Hier werden Luftfedern für Lastwagen gefertigt. Die Kassetten hätten sie für die Arbeit aufgenommen, sagen die Männer, und im übrigen würde jeder von ihnen jeden Tag 18 Tonnen heben. Ich frage die Kollegen und Kolleginnen, was für Redewendungen zum Thema Arbeit und Zusammenarbeit es in ihren Sprachen gäbe. „Gemeinsame Arbeit verbindet die Menschen“ gibt es auf russisch. „Ohne Arbeit keinen Kuchen“ auf polnisch. Sowas wie „eine Hand kann nicht klatschen, aber zwei“ auf türkisch. Ruza Pavic aus der Kantine schreibt mir ihren liebsten Satz auf: vuci vole kada nemas skole. Das heiße „zeih ochse, wenn du keine Ausbildung hast“, und das sage sie sich immer, wenn sie die Geschirrwagen schiebe. Bei Bratfisch und Hirschgulasch unterhalte ich mich mit Herrn Timm über die Kunst. Es gäbe Künstler, sagt Herr Timm, die gäben nichts auf die Meinung der anderen, sondern handelten nach ihrer Art, auch wenn sie es schwer hätten, unverstanden wären und arm. Aber zufrieden seien sie, denn sie täten, was sie für richtig hielten. Was habe es aber mit mir auf sich, die ich den anderen zu Gefallen und Bedürfnis malen wolle? Ich sei also eine erzählende Künstlerin, schließt er, andere aber seien schweigende Künstler. Fotos von Olav Raschke | ||||