Thomas Strittmatter
  Kontakt Texte  
 
Thomas Strittmatter

Kultur und Arbeit als Chance der Revitalisierung einer ostdeutschen Region?
(Aus: Kulturpolitische Gesellschaft e.V./Institut für Bildung und Kultur (Hg.): Kunst. Kultur. Arbeit - Perspektiven eines neuen Transfers. Essen 2003, S. 29-45)

Das Projekt „Kultur und Arbeit“ verfolgte unter anderem das Ziel, die Rahmenbedingungen eines Kompetenztransfers zwischen Kultur, Kunst und Arbeit und - darin eingeschlossen - die Qualifizierungs- und Beratungsbedarfe der unterschiedlichen Akteure zur Gestaltung dieses Transfers zu erkunden. In ausgewählten Regionen wurden auf diesen Grundlagen modellhafte Aktionsseminare durchgeführt, mit denen erprobt werden sollte, welche Qualifizierungsinhalte und -methoden anzuwenden sind, um die angestrebten Transferleistungen effektiv realisieren zu können. In diesen Zusammenhängen richteten wir unser Augenmerk auch auf die neuen Bundesländer, in denen die Wandlungsprozesse der Arbeitsgesellschaft durch die wirtschaftlichen Folgen der deutschen Vereinigung eine besondere Ausprägung erfahren haben.

Das Ende einer sozialistischen Arbeitsgesellschaft und die Folgen
Die DDR verstand sich als eine sozialistische Industriegesellschaft. Der Arbeitsplatz und damit die Erwerbsorientierung von Männern und Frauen gehörten hier ebenso zu den normativen Selbstverständlichkeiten wie die enge Verzahnung von Wirtschafts- und Sozialpolitik, die weitreichende Bedeutungen für das ganze Leben der Menschen hatte und, im Vergleich zu westlichen Gesellschaften, stark ausgeprägte sozialintegrative Funktionen aufwies (mit der Tendenz zur Einebnung sozialer Differenzierungen). Da die DDR bestimmte Modernisierungsprozesse noch nicht oder nicht vollständig vollzogen hatte, wurde sie im Vergleich zur Bundesrepublik auch als die ‚wahre Arbeitsgesellschaft’ bezeichnet (vgl. etwa Krömmelbein; Bonß).
Die in der Folge der deutschen Vereinigung offen ausbrechende, tiefgreifende Strukturkrise der ostdeutschen Wirtschaft führte nun allerdings schlagartig zu einer solchen dramatischen Verknappung von Erwerbsarbeit, wie sie Mitte der 80er Jahre für die Bundesrepublik lediglich hypothetisch in einigen sehr drastischen Zukunftsszenarien für eine noch sehr weit entfernt liegende Zukunft befürchtet wurde. Während im Rahmen des Diskurses zum Wandel der Arbeitsgesellschaft und zur Zukunft der Erwerbsarbeit heute noch darüber gestritten wird, ob die Erwerbsarbeit überhaupt und wenn ja real oder lediglich tendenziell „verschwindet“, sind die neuen Länder - um es in Anlehnung an eine polemische Sentenz zu formulieren - bereits zum unfreiwilligen Testgelände für eine Zukunft jenseits der herkömmlichen Erwerbsarbeit geworden (Kil, S.14). „Bezogen auf die Einwohnerzahlen arbeiten in Ostdeutschland heute weniger Menschen in der Industrie als in allen anderen westeuropäischen Ländern“ (Glock S. 5).
Bereits der Übergang von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft, den die Bundesrepublik seit den 70er Jahren schrittweise vollzog, hatte gezeigt, dass die dabei vernichteten Industriearbeitsplätze, quantitativ gesehen, nicht von den Arbeitsplatzangeboten in den Dienstleistungsunternehmen aufgewogen werden. Dieser Trend setzt sich offensichtlich beim Übergang zur Informationsgesellschaft fort. In den neuen Ländern finden seit 1990 verschiedene wirtschaftliche Umstrukturierungsprozesse gleichzeitig statt. Neben der großflächig vollzogenen Deindustrialisierung gibt es auch zahlreiche, in der Regel vom Bund und den Ländern geförderte Bemühungen, die auf den Aufbau von Dienstleistungs- und Informationswirtschaftsstrukturen in den neuen Ländern gerichtet sind. Und dennoch: bei Vergleichen mit anderen europäischen Ländern liegt die ostdeutsche Wirtschaft heute etwa auf dem Niveau der Wirtschaft Portugals und Griechenlands (Kirnich). Die viel beschworenen Hoffnungen auf einen relativ schnellen wirtschaftlichen Aufschwung erfüllten sich also nicht und die darauf gerichteten Erwartungen werden heute auf einen immer später liegenden Zeitpunkt vertröstet beziehungsweise drohen ganz zu schwinden. Der oft crashförmige Verlauf der wirtschaftlichen Entwicklung in den neuen Ländern, begünstigt durch unterentwickelte wirtschaftliche Monostrukturen aus der DDR-Zeit und durch Fehlsteuerungen bei der Umstrukturierung, zeitigt in bestimmten Gebieten sogar Prozesse die in die Richtung einer Deökonomisierung weisen. Gemeint ist damit, dass in den betreffenden Regionen zu der schlagartigen Deindustrialisierung noch Prozesse der Rationalisierung und des drastischen Schrumpfens der landwirtschaftlichen Produktion sowie der „Demilitarisierung“ (Abzug sowjetischer Truppen und Aufgabe von Standorten der Bundeswehr) hinzukommen und zu einer regelrechten Implosion regionaler Wirtschaften und Arbeitsmärkte geführt haben (Haller/Liebmann S. 35).
Da es nicht genügend Arbeitsplätze gibt, wanderten zwischen 1989 und 1999 über 1,3 Mio. Bürger aus den neuen in die alten Bundesländer ab (Döring). Besonders Anfang der 90er Jahre handelte es sich bei den meisten von ihnen um jüngere, gut ausgebildete Arbeitskräfte, die in ihrer Heimat keine Entwicklungschancen mehr erkennen konnten. Ende der 90er Jahre begannen manche Arbeitsämter die tendenziell sinkende Abwanderung wieder dadurch zu stimulieren, indem sie besondere Programme zur Vermittlung von Arbeitslosen in die alten Bundesländer auflegten bzw. dahingehende Eigenaktivitäten der Arbeitssuchenden prämierten (Mobilitätsprämie). Das führte inzwischen soweit, dass heute in ausgewählten Wirtschaftsbereichen Ostdeutschlands ein partieller Fachkräftemangel eingetreten ist und nunmehr die Einstellung derartiger Programme gefordert wird. Und dennoch übersteigen die durchschnittlichen Arbeitslosenquoten der neuen weit die der alten Bundesländer. In ausgewählten Gebieten mancher ostdeutscher Städte übersteigen sie bereits die 30%-Marke.
Die negativen Wanderungssalden sowie die so genannten Suburbanisierungsprozesse - der Wegzug von (Steuer-)Bürgern aus den Städten in die umliegenden Gemeinden, gefördert durch den abschreibungsfähigen Wohnungsbau - verstärken den durch die drastisch niedrige Geburtenraten ausgelösten Effekt des Schrumpfens und der Überalterung ostdeutscher Städte. Die einmal in Gang gesetzten Prozesse gewinnen dabei an Dynamik und führen zu einer „Erosion städtischer Ökonomien, die mit einem umfassenden Nutzungs-, Funktions- und Statusverlust der betroffenen Städte einher geht“ (Glock S. 5). Sorgten noch die ersten Konzepte für den schrittweisen Rückbau von Plattensiedlungen für eine republikweite Aufmerksamkeit, so wird heute bereits in mehr als der Hälfte aller ostdeutschen Kommunen an solchen Konzepten gearbeitet(Haller/Liebmann S. 38). Allerdings: die Mehrzahl der über eine Millionen Wohnungen, die 1998 in Ostdeutschland leer standen, ist im Geschosswohnungsbau der Vor- und Zwischenkriegszeit zu verzeichnen gewesen (ebenda S. 36). Das Phänomen, dass eine Vielzahl von Städten schlagartig schrumpft, ist in dieser Quantität und Qualität völlig neu und deswegen gibt es für die damit verbundenen Probleme bisher kaum Lösungsansätze. Mit dem 2001 gemeinsam vom Bund und den Ländern aufgelegten Programm zum Stadtumbau Ost werden bis 2009 die ostdeutschen Kommunen bei der Erarbeitung von entsprechenden Stadtumbauprogramme - deutlicher wäre es, von Stadtschrumpfungskonzepten zu sprechen - mit über 1,1 Mrd. Euro unterstützt. Ähnlich Erosionsprozesse wie in den Städten sind aber auch auf dem ‚platten’ Land auszumachen. Hier sank die Zahl der Beschäftigten in der Landwirtschaft von 850.000 vor der Wende auf 160.000 im Jahr 1993 und Schätzungen gehen davon aus, dass sie noch auf ca. 100.000 sinken wird (Land/Willisch S. 103). Dieser starke Rückgang liegt auch in der Spezifik der ostelbischen Landwirtschaft begründet, die durch eine Lohnarbeitsordnung dominiert war und nicht - wie etwa in Süddeutschland - durch eine Familienarbeitsordnung (ebenda S. 99). Diese und andere Besonderheiten führten bei der Umstrukturierung der ostdeutschen Landwirtschaft zu der widersprüchlichen Situation, dass nicht trotz, sondern gerade wegen der oft erfolgreichen Transformation der ehemals genossenschaftlichen Landwirtschaftsbetriebe in moderne und durchrationalisierte, mithin ökonomisch erfolgreiche Agrarbetriebe ein rasanter Verfall der sozialen Integrationsverhältnisse in den Gemeinden ländlicher Regionen zu verzeichnen ist (ebenda S. 104). Sichtbar wird das an den hohen Arbeitslosenquoten, den geringen Einkommen, der Landflucht der jungen Dorfbewohner und der Ausdünnung sowie Überalterung der Dorfgemeinschaften. Der „massenhafte Verlust von Erwerbsarbeit und der Funktionsverlust der Landgemeinden, also der Zusammenbruch der auf die landwirtschaftliche Erwerbsarbeit gegründeten Lebenskonstruktion der Bevölkerung“ führen tendenziell zu einer „Ghettoisierung ländlicher Räume“ und zu einer „Re-Ethnisierung sozialer Konflikte“ (ebenda S. 105).
Diese Entwicklungen in den Städten und auf dem Land konnten von der bislang praktizierten Arbeitsmarktpolitik nicht aufgefangen werden. Im Gegenteil weist vieles darauf hin, dass sich die „Umbruchsarbeitslosigkeit“ in den neuen Ländern „nicht trotz, sondern aufgrund der Arbeitsmarktpolitik“ zu verfestigen droht, da diese „ von vornherein auf die Reduzierung der Erwerbsbevölkerung ... angelegt war und ist“ (Vogel S.78). Gemeint ist damit, dass einerseits durch den Zusammenbruch der DDR-Arbeitsgesellschaft bestimmte Branchen, Arbeitsinhalte und Beschäftigungsformen unwiederbringlich verloren gingen und andererseits durch die Übernahme einer Arbeitsgesellschaft nach westdeutschem Vorbild mit gleichzeitigem gezielten Institutionen- und Personaltransfer eine selektive Arbeitsmarktpolitik praktiziert wird. Dadurch bildet sich tendenziell eine neue Soziallage der „Arbeitslosigkeit bzw. der Überzähligen“ heraus, die nicht auf eine DDR-geprägte subjektive Handlungsinkompetenz, sondern auf die objektiv veränderten Zugangsbedingungen zu den neuen Arbeitsplätzen“ zurückzuführen ist (ebenda S. 207). Doch es liegt durchaus nicht nur im Interesse der ostdeutschen Bevölkerung, dass diese Situation überwunden wird und die Suche nach geeigneten Lösungsstrategien für die Beantwortung der Frage nach der Zukunft der Arbeit und die Gestaltung der Arbeit der Zukunft intensiviert wird. Vieles spricht für die These, dass die Transformationsprozesse in den ehemals autoritären und totalitären Arbeitsgesellschaften von Osteuropa den Erosionsprozess der westlichen Arbeitsgesellschaften sogar noch beschleunigen könnten (Lessenich S. 19). Die teilweise äußerst komplizierten Verhandlungen im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung sind ja zu einem nicht geringen Teil gerade auf solche Problematiken zurückzuführen.
Dass die hier nur anzudeutenden Entwicklungen eminent wichtige kulturelle Aspekte aufweisen, ist augenscheinlich. Arbeit war und ist einer der wesentlichsten Faktoren für die kulturelle Entwicklung der Menschen. In der Neuzeit waren es gerade die Umwälzungen hinsichtlich des Charakters und der Verteilung der Erwerbsarbeit, die ihren dominierenden Einfluss auf das gesellschaftliche und individuelle Normen- und Wertegefüge ausübten. Heute verweisen Begriffe wie zum Beispiel Flexibilisierung und Individualisierung der Erwerbsarbeit, Dynamisierung der Erwerbsbiografien auf eine sich anbahnenden neue Stellung und einen sich ändernden Charakter der Erwerbsarbeit hin. Oskar Negt betont die kulturelle Seite der damit verbundenen Prozesse, wenn er darauf verweist, dass „Die großen Vorteile der Flexibilität ... eine grundlegende kulturelle und soziale Umorientierung der gesamten industriellen Zivilisation, des Verhältnisses von Arbeit und Muße, der Beziehung des Privatinteresses zur Öffentlichkeit, der individuellen Bedürfnisse zum Gemeinwohl“ zur unabdingbaren Voraussetzung haben (Negt S. 5).

Die Niederlausitz - zum Schicksal einer ostdeutschen Region
Die Niederlausitz - eine Region die im Süden des Landes Brandenburgs liegt und bis nach Sachsen reicht - stellte eines der Energiewirtschaftszentren der DDR dar. In zahlreichen Tagebauen förderte man hier Braunkohle, die in den umliegenden Kraftwerken und Brikettfabriken verstromt bzw. weiter verarbeitet wurde. Mit dem in einem speziellen Verfahren aus der Braunkohle gewonnenen Hochtemperaturkoks kompensierte die DDR u.a. auch den Mangel an eigenen Steinkohlevorkommen und sicherte damit ihre Stahlproduktion in devisenschonender Weise.
Die deutsche Vereinigung relativierte sehr schnell die energiewirtschaftliche Bedeutung der Region und verursachte damit eine Strukturkrise, die Ähnlichkeiten mit der des Ruhrgebietes aufweist. Durch ihr schlagartiges Einsetzen traf sie die Wirtschaft, die Politik und vor allem die Menschen, die hier Arbeit gefunden hatten jedoch völlig unvorbereitet. Quasi über Nacht wurden viele Tagebaue still gelegt, Kraftwerke und Brikettfabriken geschlossen und massenhaft Arbeitskräfte frei gesetzt, die wegen der monostrukturellen Prägung des Gebietes nur geringe Chancen haben, eine neue Arbeitsstelle zu finden. Neben einigen wenigen - hoch subventionierten - Standorten der Kohle- und Energieproduktion dominieren heute riesige Tagebaukrater und darin noch so manche, an Dinosaurier erinnernde, Braunkohleabbaugeräte weite Teile des Landschaftsbildes. Andernorts lassen nur noch großflächige Brachen die Ausdehnungen der aufgelassenen Kraftwerke und Kohlefabriken erahnen, die bereits von ihren ehemaligen Betreibern im Rahmen von AB-Maßnahmen abgetragen worden sind. Je mehr sich auch diese "Flurbereinigungsmaßnahmen" ihrem Ende nähern, um so stärker scheinen die Aussichten vieler Lausitzer zu schrumpfen, wenigstens noch eine Beschäftigung vor Ort zu finden. So nimmt es nicht Wunder, dass die weit reichenden negativen Folgen dieser tiefgreifenden Strukturkrise in der Region unübersehbar sind: hohe Arbeitslosenquoten, Abwanderung der jungen, aktiven Kräfte, zunehmende Überalterung der Bevölkerung und - zur drastischen Sparsamkeit gezwungene Kommunen.

Dennoch, oder gerade deswegen, gibt es viele Menschen, die in der Region Entwicklungspotenziale erkennen und ihr Zukunftschancen einräumen, oder besser: die daran arbeiten, dass diese Chancen auch genutzt werden. So entstehen in den nächsten ca. zwei Jahrzehnten durch Rekultivierungsmaßnahmen 13.000 Hektar neue Gewässer, deren Kernbereiche mit ca. 7.000 Hektar die sogenannte Lausitzer Seenkette bilden, die durch schiffbare Kanäle verbunden sein wird. Insgesamt werden knapp 100 Grubenseen das Gesicht der Landschaft durchgreifend verändern und eine Voraussetzung für die Entwicklung eines regional bedeutsamen Tourismusgebietes darstellen. Verantwortlich für die Rekultivierungsmaßnahmen ist die „Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau und Verwaltungsgesellschaft“ (LMBV), die damit zu den größten Arbeitgebern der Region zählt und in der bereits so mancher Bergmann zum „Wasserbauspezialisten“ wurde.
Allerdings: die Rekultivierungsmaßnahmen allein schaffen noch keine neuen und tragfähigen Wirtschaftsstrukturen. Deshalb hat es sich u.a. die 1999 gegründete und bis 2011 dauernde Internationale Bauausstellung (IBA) "Fürst-Pückler-Land" GmbH zur Aufgabe gemacht, Projekte zu entwickeln, die das riesige Ausmaß der Renaturierungsarbeiten so steuern, dass sie tatsächlich landschafts- und wirtschaftsgestaltend wirken können und dabei die ältere und neuere Geschichte der Region nicht einfach hinweggespült wird. Die IBA unterstützt in diesem Zusammenhang eine ganze Reihe von Kultur- und Entwicklungsprojekten, die hier - im brandenburgischen Teil der Lausitz - in den letzten Jahren entstanden sind, als die alten wirtschaftlichen Strukturen weitgehend zusammenbrachen und deren Zeugnisse umfassend zu verschwinden drohten. Insofern versteht sie sich als erste IBA "von unten", die aus der Region heraus ins Leben gerufen wurde. Doch auch vielen weiteren, nicht zu den unmittelbaren IBA-Kooperationsprojekten zählenden Initiativen in der Region geht es darum, den regionalen Strukturwandlungsprozess aktiv zu befördern, um - direkt oder indirekt - Arbeitsplätze zu schaffen und dabei die vorhandenen humanen, kulturellen, landschaftlichen und industriegeschichtlichen Potenziale einzubeziehen.

Ein Netzwerk entsteht
Dass es zwischen den verschiedenen örtlich und regional orientierten Entwicklungsprojekten in der Lausitz bestimmte Gemeinsamkeiten oder auch wechselseitige Abhängigkeiten gibt, dessen sind sich die Akteure schon seit längerer bewusst gewesen. Ein erster, eigenständiger Versuch, die Projekte untereinander stärker zu vernetzen misslang jedoch. Während man die eigenen Projekte mittlerweile nicht nur initiativ-, sondern auch kenntnis- und erfahrungsreich durch die Untiefen des Projektlebens steuern kann, fehlten offensichtlich eigene Erfahrungen für die konkrete Ausgestaltung bzw. Strukturierung und die Realisierung eines Projekt-Netzwerkes.

Nachdem dieser Qualifizierungsbedarf im Rahmen einer Informationsveranstaltung vor Ort und in mehreren Einzelgesprächen mit den Leitungen verschiedener Projekte herausgearbeitet worden war, beschlossen die Partner im Projekt „Kultur und Arbeit“ für eine Reihe der aktivsten Kultur- und Regionalprojekte einen Workshop zu organisieren, der als Initialveranstaltung den Vernetzungsprozess aktiv anstoßen sollte. Teilgenommen haben daran Vertreter und Vertreterinnen von 10 Projekten bzw. Initiativen aus der Region, sowie der IBA „Fürst-Pückler-Land“, des Instituts für Kulturpolitik und des Instituts für Bildung und Kultur. Dabei wurde durch die Wahl des Workshops als Veranstaltungsform das Ergebnis der Initiativveranstaltung ganz bewusst von der aktiven und eigenverantwortlichen Arbeit der Beteiligten aus der Region abhängig gemacht. Wie immer dieses Ergebnis am Ende der Veranstaltung aussehen würde, es sollte kein von außen hineingetragenes sein.
Die Diskussionen machten deutlich, dass unabhängig von den spezifischen Interessen der zehn Projektteams das gemeinsame, übergreifende Ziel aller Projekte darin besteht, die Arbeits- und Lebensbedingungen in der Region zu verbessern. So speziell die Projektinhalte und -gegenstände auch waren, alle hatten sie zum Inhalt die humanen, kulturellen und natürlichen Ressourcen der Region zu (re-)aktivieren und unter deren Nutzung wirtschaftlich tragfähige (Teil-)Strukturen zu schaffen.
Auf der Grundlage dieser Gemeinsamkeit soll die projektübergreifende Zusammenarbeit in der Form eines Netzwerkes organisiert werden, dessen Hauptziele darin bestehen:

- ein übergreifendes inhaltliches Konzept zu entwickeln, dass die Eigenständigkeit der Projekte bewahrt;
- den Akteuren ein starkes politisches Gewicht zu verschaffen;
- ein Partner für die Administration und die Politik zu sein;
- die Kräfte zu bündeln;
- durch den gemeinsamen Außenauftritt die Außendarstellung der Projekte zu verbessern und damit
- den Projekten mehr Akzeptanz zu verschaffen

Mit der Festlegung eines Termins für das erste Arbeitstreffen, bei dem an der gemeinsamen inhaltlichen Konzeption weitergearbeitet werden sollte, wurde die Gründung des Netzwerkes „K.A.N.N. - Kultur und Arbeit, Netzwerk Niederlausitz“ formell beschlossen. Wenige Wochen später trat das Netzwerk bereits mit einem gemeinsam formulierten Beitrag in der Öffentlichkeit auf. Auf der Regionalkonferenz kleiner Initiativen des soziokulturellen Bereiches Südbrandenburgs forderte man einen Kurswechsel in der Arbeitsmarktpolitik, durch den die regionalen Potenziale und Besonderheiten besser berücksichtigt werden können.
Die „richtige“ Netzwerk-Arbeit hat damit erst begonnen, doch der erste Schritt dahin war ein besonders wichtiger und notwendiger. Natürlich kann ein solches Netzwerk allein nicht die Probleme der Region lösen. Es ist auch noch ein weiter Weg zurückzulegen, bevor durch die Bündelung der Kräfte, den intensiven Austausch der Ideen, die gemeinsame Gewinnung von materiellen und ideellen Ressourcen usw. die ersten „handfesten“ Ergebnisse der Netzwerkarbeit in der Region sichtbar werden. Aber, die Grundidee, die konkrete wirtschaftliche und landschaftliche Umbruchsituation - bei aller Härte der damit verbundenen Probleme - auch als Entwicklungschance für die Region zu begreifen, wird mit jedem erfolgreichen Schritt an Ausstrahlungskraft gewinnen.